Vorbemerkung

Die vorliegende Reflexion vertritt die Auffassung, dass Menschen nicht durch eine reduktive Brille, nämlich die Sicht auf die Hautfarbe oder einzelne körperliches Merkmal wahrgenommen oder beurteilt werden sollten. Stattdessen wird argumentiert, dass es fruchtbarer wäre, den Menschen in seiner Gesamtheit oder Komplexität zu betrachten. Dieses Phänomen bezieht sich auf die Tendenz von verschiedenster Kulturen dieser Welt, insbesondere sei hier Afrika gennant, ihre Vorstellung von Schönheit oder menschlicher Identität auf einzelne körperliche Merkmale, wie zum Beispiel die Hautfarbe, zu beschränken, obwohl diese nur einen Bruchteil der Vielschichtigkeit des Menschen ausmacht. Es ist wichtig zu beachten, dass die Hautfarbe kein umfassendes Abbild der Identität einer Person darstellt; da diese erheblich vielschichtiger und reichhaltiger ist als ein einzelnes ihres körperlichen Merkmale. Letztendlich zielt die vorliegende prüfende Betrachtung darauf ab, die Vorstellung von Schönheit und Identität in afrikanischen Gesellschaften zu dekonstruieren oder zu entfärben. Schönheit zu entfärben bedeutet, Colourism abzulehnen und das gesamte Spektrum und die vielfältigen Ausprägungen physischer Merkmale, über die Hautfarbe und den Körperbau hinaus, als gleichwertig und schön anzunehmen.

An dieser Stelle muss unbedingt erwähnt werden, dass diese Überlegung darauf abzielt, das Phänomen des Colourism in afrikanischen Gesellschaften anzugehen. Daher möchte ich insbesondere auf die allgemeinen sowie die psychologischen Auswirkungen aufmerksam machen, die es auf Menschen in afrikanischen Gesellschaften haben kann.

Zur Konzeption von Colourism und Entfärbung

Es ist unerlässlich, die anhaltende Verbreitung eines weitreichenden gesellschaftlichen Phänomens in manchen afrikanischen Ländern anzuerkennen: Colourism. Es definiert ein Prozess, durch den eine einzelne Eigenschaft oder ein kennzeichnendes Merkmal einer Person, in der Regel ihre Hautfarbe oder ihr Körperbau, zum alleinigen Maßstab wird, an dem ihre Identität oder Schönheit gemessen wird. In einigen afrikanischen Gesellschaften gilt eine Person nur dann als ästhetisch ansprechend oder attraktiv, wenn sie einem bestimmten Schönheitsideal entspricht, nämlich einer hellen Hautfarbe (light skin colour) oder einem bestimmten Körperbau. Personen, deren Körperbau oder Hautfarbe nicht diesen von der Gesellschaft oder der Schönheitsindustrie festgelegten Schönheitsidealen entsprechen, werden oft als unattraktiv angesehen. In diesem speziellen Kontext wird eine helle Hautfarbe (light skin colour) als Ideal angesehen, im Gegensatz zu einer dunklen Hautfarbe. Dieser Ansatz kann jedoch als reduktionistisch bwz. als einschränkende äesthetische Wahrnehmung angesehen werden, da er die Komplexität und Gesamtheit der menschlichen Identität, die sich aus zahlreichen Facetten wie Hautfarbe, Charakter, Temperament, Größe, Kreativität, Intelligenz, Talent und Potenzial zusammensetzt, nicht vollständig erfasst und würdigt. Dieses soziale Phänomen wird als „Colourisation von Schönheit und menschlicher Identität” bezeichnet.

Der Kern des untersuchten Problems betrifft die Prozesse der Colourisation und Kommerzialisierung von Schönheit bzw. deren ästhetische Reduktion, die als Projektion und Förderung bestimmter menschlicher körperlicher Merkmale, zum Beispiel heller Hautfarbe, als begehrenswerte und ideale Schönheitsstandards definiert werden. Ebenso kann diese Betrachtung als indirekter Ausschluss derjenigen angesehen werden, deren körperliche Merkmale möglicherweise nicht den idealen, projizierten und kommerzialisierten menschlichen Eigenschaften wie „helle Hautfarbe” entsprechen. Der vorherrschende Belang in Bezug auf dieses Phänomen betrifft seine Auswirkungen auf das psychische Wohlbefinden von Menschen in den pluralistischen sozialen Kontexten Afrikas. Folgen zeigen sich beispielsweise bei Menschen, die sich dafür entscheiden, ihre Hautpigmentierung durch die Verwendung von Bleichmitteln zu verändern oder zu modifizieren, vor allem als Reaktion auf ästhetische Standards, die von der Schönheitsindustrie und ausländischen Filmen (manchmal auch lokalen Filmen) – propagiert und durch gesellschaftliche Erwartungen verstärkt werden.

 Nachfolgend werden die angeblichen Motivationsfaktoren für da Schönheitsideal Hautaufhellung thematisiert. Der folgende befasst sich mit der Verbreitung von Hautaufhellungen in afrikanischen Gesellschaften und betrifft möglicherweise auch andere Regionen der Welt. Das Hauptaugenmerk liegt dabei auf den psychologischen Hintergründen dieses Phänomens, d. h. den Faktoren, die Menschen dazu motivieren, ihre natürliche Hautfarbe zu verändern oder ihre Haut mit Kosmetika oder Körperpflegeprodukten aufzuhellen. Hier wird die ethische Frage, ob Hautaufhellungen vorteilhaft oder gar schädlich sind, nicht dagegen behandelt. Es ist bemerkenswert, wie sehr sich die Gesellschaft darauf fixiert, eine idealisierte Version körperlicher Schönheit zu erreichen und in der Öffentlichkeit zu präsentieren. Diese Fixierung kann bei Menschen, deren natürlicher Hautton oder Körperbau nicht den konventionellen Schönheitsstandards entspricht, zu Selbstzweifeln oder sogar zu Selbsthass führen. Zunächst werden die angeblichen Motivationsfaktoren für Hautaufhellungen untersucht. Erstens existiert in einigen afrikanischen Gesellschaften die Vorstellung, dass eine helle Hautfarbe das Erlangen von sozialen und wirtschaftlichen Privilegien ermöglicht, vor allem den Zugang zur Film- und Entertainment-Industrie. Weiterhin gibt es die Vorstellung, dass eine helle Hautfarbe erfolgreiche romantische Beziehungen begünstigen kann. Dies gibt Anlass zu einer besorgniserregenden Überlegung: Die betroffene Gesellschaft könnte allmählich farbbewusst werden und gleichzeitig die Kompetenzen und Fähigkeiten von Menschen ignorieren oder übersehen, wenn es darum geht, Personen in der Industrie, der Arbeitswelt oder auf dem Arbeitsmarkt zu beschäftigen. Tatsächlich ist die Einstellung gegenüber Menschen bzw. deren Bevorzugung aufgrund ihrer Hautfarbe in der Arbeitswelt logischerweise nicht zu rechtfertigen, da es im Arbeitsumfeld letztlich auf fachliche Kompetenz und speziell Charaktereigenschaften, wie zum Beispiel Teamfähigkeit und Durchsetzungsvermögen – ankommt.

 Es ist offensichtlich, dass es keinen rationalen Zusammenhang zwischen Hautpigmentierung und beruflicher Kompetenz oder Professionalität gibt. Es muss unbedingt anerkannt werden, dass Menschen jeder edenklichern Hautfarbe über die notwendigen Kompetenzen verfügen, um im Arbeitsleben erfolgreich zu sein. Allerdings erscheint es öffenkündig, dass sie aufgrund ihrer Hautfarbe, einer Eigenschaft, die ihnen vererbt wurde, die bei ihrer Geburt eben nicht gewählt haben, auf Schwierigkeiten und Hindernisse stoßen.

 Bei der Auseinandersetzung mit dem Thema Colourism im Kontext romantischer Beziehungen oder Partnersuche muss Folgendes klargestellt werden: Es ist anzuerkennen, dass Menschen unterschiedliche Vorlieben haben und daher das Recht besitzen, einen Partner zu wählen, der ihren spezifischen körperlichen Vorlieben entspricht. In diesem Knotext ist es nicht problematisch, wenn jemand eine Vorliebe für Menschen mit einer bestimmten Hautfarbe gegenüber Menschen mit anderen Hautfarben zum Ausdruck bringt. Problematisch und höchst fragwürdig ist es jedoch, wenn jemand eine Person mit einer bestimmten Hautfarbe gegenüber anderen bevorzugt, und dabei die Schönheit anderer Hautfarben herabsetzt oder abwertet bzw. deren ästhetische Legitimität, d.h. die Vorzüge oder Gültigkeit anderer körperlicher Merkmale leugnet. Mit dieser ästhetischen Delegitimierung geht die indirekte Kommunikation oder Förderung der Unerwünschtheit von Personen mit anderen Hautfarben in der Welt der Beziehungen einher. Dies kann sich auf das Selbstwertgefühl und das Selbstbewusstsein einer Person auswirken und oft zu Gefühlen der Unzulänglichkeit führen. Infolgedessen greifen manche Menschen in Bezug auf ihr Körperbild zu extremen Maßnahmen. Daher erscheint eine Entfärbung von Schönheit und Identität, für die Akzeptanz und Anerkennung der Vielfalt von Hautpigmentierung und Körpertypen in ihren unterschiedlichsten Schattierungen oder Ausprägungen von Schönheit, auf Kosten der monolithischen und engen Schönheits- oder Identitätserzählung, wie sie von der Schönheitsindustrie verbreitet oder gefördert wird, erforderlich. Das Konzept der Schönheit ist von Natur aus facettenreich und umfasst ein breites Spektrum an Farben, weshalb es nicht auf eine einzige Farbe reduziert werden kann. Es ist wichtig anzuerkennen, dass jede Hautfarbe auf ihre eigene Weise begehrenswert und wertvoll ist, auch wenn sie nicht allen persönlichen Vorlieben oder Vorstellungen von Schönheit entspricht. Es besteht kein Grund, andere Hautfarben abzuwerten. Daraus lässt sich schließen, dass jede Hautfarbe, sei sie schwarz, weiß, braun, hell oder anders, als Schönheitsstandard angesehen werden sollte. Letztendlich gibt es nur eine einzige schöne Hautfarbe oder einen einzigen schönen Körpertyp auf der Welt: nämlich die Hautfarbe oder den Körpertyp, mit dem der Mensch individuell geboren wurde. Jeder ist auf seine eigene Weise schön und einzigartig. Daher sollten Menschen Selbstbewusstsein in Bezug auf ihre Hautfarbe und ihren Körpertyp entwickeln und die ihnen innewohnende Schönheit und die Angemessenheit ihrer körperlichen Eigenschaften erkennen und akzeptieren.

 Im Endeffekt geht es bei all diesen Überlegungen um Folgendes: Es ist äußerst wichtig, dass über die afrikanische Gesellschaften hinaus die Menschheit insgesamt eine farbenblinde Haltung einnimmt und gleichzeitig ein gesteigertes Bewusstsein für die Komplexität des Menschen entwickelt dahingehend, dass der Charakter, das Charisma, die Persönlichkeit, die Kompetenz, das Potenzial und die Identität jeden Einzelnen ausmacht, anstatt vollständig oder ausschließlich unter den Bedingungen der Hautpigmentierung zu subsumieren. Letztendlich  sollte eine Person unter Berücksichtigung aller Komponenten ihres Wesens wahrgenommen werden und nicht aufgrund eines einzigen körperlichen Merkmal.

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